Was tun gegen Rassismus?
Wenn wir Formen von Rassismus, Ausgrenzung und Diskriminierung auch im Fremdsprachenunterricht entgegentreten wollen, darf es nicht bei der Verpflichtung auf hehre Leitziele bleiben. Was ist zu tun? Natürlich ist es unerlässlich, dass sich alle Fremdsprachenlehrer/innen in ihrer individuellen Haltung tatsächlich den Zielen der Bewahrung der Menschenwürde, des friedlichen Zusammenlebens der Kulturen, der Bekämpfung des Rassismus und der demokratischen Aushandlung verpflichtet fühlen und diese selbst leben. Darüber hinaus aber müssen diese Ziele auf den verschiedenen Ebenen der fremdsprachendidaktischen Theorie und Praxis auch die Agenda und das sehr konkrete Arbeitsprogramm der Fremdsprachendidaktiker/innen und -lehrer/innen bestimmen.
Kulturtheorie
Wir müssen die kulturtheoretischen Grundlagen des kulturellen Lehrens und Lernens gründlich reflektieren und weiterentwickeln. Fragen können z.B. sein:
- Wie sehr ist der Kulturbegriff immer noch nationalkulturell gefasst?
- Was sind die theoretischen Grundlagen von Denkweisen und Haltungen, die nicht zu stereotypisierendem und diskriminierendem Denken führen?
- Ist es angemessen, Kulturen als abgeschlossene Entitäten aufzufassen?
- Wie gehen wir mit kollektiven kulturellen Zuschreibungen um
- Ist es angemessen, junge Menschen als Repräsentant/innen einer anderen Kultur zu verstehen?
- Ist ‚Fremdheit‘ eine angemessene Kategorie?
- Finden transkulturelle Gemeinsamkeiten und verbindende Erfahrungen einen angemessenen Platz?
Demokratische Diskursfähigkeit
Die Fähigkeit, in der Fremdsprache an gesellschaftlich relevanten Diskursen teilzuhaben und sich auch als junger Mensch darin zu positionieren, darf kein abstraktes didaktisches Ziel bleiben. Zu der Fähigkeit, sich äußern zu können, gehören nicht nur die sprachlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten im engeren Sinne, sondern auch
- ein kritischer Umgang mit und die Bewertung von Informationen und Meinungen,
- die Fähigkeit, diese voneinander zu unterscheiden und
- eine eigene Position im Diskurs zu finden und zu artikulieren.
Themen und Inhalte
Alle Themen, die Rechtsradikalismus, Antisemitismus und Ausgrenzung sowie Online- und Offline-Praktiken hasserfüllter und hetzerischer Sprache und Kommunikation betreffen, natürlich auch in den fremdsprachigen Gesellschaften, müssen im Fremdsprachenunterricht einen angemessenen Platz finden. Die jungen Menschen müssen die Möglichkeit erhalten, sich individuell zu diskriminierendem Denken und Handeln zu positionieren und zu äußern. Zu solchen Themen gehören auch unbedingt der Kolonialismus und Rassismus des 19. Jahrhunderts, der Holocaust oder Fragen von Flucht und Vertreibung, natürlich auch die Diskriminierung von Minderheiten.
Demokratie-Erziehung
Zu einer Demokratie-Erziehung im Fremdsprachenunterricht gehören nicht nur Fragen der Menschen-, Bürger- und Freiheitsrechte, sondern auch das aktive Eintreten für diese Rechte, die Einübung demokratischer Formen des Aushandelns von Meinungen und die Erziehung zu sprachlicher und personaler Toleranz und gegenseitigem Respekt.
Curricula
In den Fremdsprachen-Curricula müssen die Einübung in das friedliche Aushandeln und Zusammenleben der Kulturen, auch im schulischen Alltag selbst, aber auch
- das aktive Eintreten gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung und
- für Menschen- und Freiheitsrechte sowie
- die Behandlung der o.a. Themen und Inhalte
festgeschrieben werden. Die zentralen Werte einer demokratischen Gesellschaft müssen aus der Präambel in die Mitte des Curriculums rücken.
Empirie und best practice
Erfolgreiche Formen des friedlichen kulturellen Miteinander und des Eintretens gegen Rassismus in Schule und Unterricht müssen empirisch auf ihre Lern- und Langzeiteffekte hin erforscht, begleitet und kommuniziert werden. In den einschlägigen Zeitschriften und Publikationen müssen sie als best practice-Beispiele kommuniziert und zur Nachahmung empfohlen werden.
Fremdsprachliche Bildung in und für eine demokratische Gesellschaft braucht die Einübung in werteorientiertes Denken und Handeln. Als Fremdsprachenlehrer/innen und -didaktiker/innen müssen wir allen Formen des Rassismus und des Antisemitismus aktiv entgegentreten. Es ist höchste Zeit.