Flipped-classroom grammar

Ein zeitgemäßer Grammatikunterricht sollte immer zielgruppenangepasst, strukturiert, kommunikationsorientiert und in einer Abfolge bestimmter Phasen verlaufen (vgl. Ziegésar & Ziegésar 1992, Haß 2019). Grammatikorientierte Unterrichtsszenarien ermöglichen einen spracherwerbsorientierten Lernprozess zur Erweiterung (fremd)sprachlicher Kompetenzen. Eine zielführend strukturierte Phasierung orientiert sich am muttersprachlichen Erwerb, ist für Schülerinnen und Schüler auf diese Weise zugänglicher und entspricht dem sogenannten induktiven Ansatz (vom Phänomen zur Regel).

Erarbeitungsschritte

Grammatikunterricht lässt sich, wie im vorliegenden Unterrichtsbeispiel, als Schrittfolge von der Wahrnehmung zur automatisierten Sprachproduktion konzipieren.

  • Im ersten Schritt nehmen die Lernenden eine grammatische Struktur in einem möglichst authentischen fremdsprachlichen Kontext wahr (Wahrnehmungsphase – noticing), zum Beispiel durch einen Text, einen Film oder eine Anekdote der Lehrerin oder des Lehrers. Diese Phase lädt die Schüler/innen zur (noch relativ unbewussten) Verwendung/Anwendung ein (Verstehen und Reagieren – comprehending and reacting).
  • In der darauffolgenden Phase erzielen die Schüler durch bewusste/unbewusste Verwendung der Struktur ein erstes Regelbewusstsein (Kognitivierung I – structuring).
  • Diese kann im nächsten Schritt mithilfe von Kontrastierung zur Muttersprache, Visualisierung und/oder das Formulieren von Merk- und Regelsätzen (vgl. die Grammar Cards bei Kieweg 2012) eine größere Verarbeitungstiefe erlangen (Kognitivierung II- structuring/contrasting).
  • Abschließend folgen zwei Übungsphasen: Übungsphase 1 basiert auf Aufgabentypen (von geschlossen zu offen) unter Anleitung und sprachlicher Korrektur der Lehrperson (Sprachgebrauch – monitoring).
  • Die folgende Übungsphase II beinhaltet eine größere Eigenständigkeit der Schüler/innen und verwendet die neue Form in komplexeren und progressiven Anwendungskontexten (Automatisierung – mastering).
Flipped Classroom

Die Methode Flipped Classroom (auch Inverted Classroom) basiert auf einer Auslagerung verschiedener Unterrichtsphasen in eine außerunterrichtliche Umgebung. Die Lernenden eignen sich verschiedene Inhalte eigenständig an, welche durch die Lehrenden in aufbereitet-didaktisierter Form zur Verfügung gestellt werden. Hierbei wird häufig auf digitale Medien, Filme, Lehr-/Lernvideos, Podcasts oder Arbeitsblätter zurückgegriffen.  In einer folgenden Präsenzveranstaltung, wie etwa dem schulischen Unterricht, werden die individuell erarbeiteten Inhalte gemeinsam mit der Lehrkraft vertieft, vervollständigt, hinterfragt und ggf. korrigiert.

Digitaler Grammatik-Unterricht im Flipped-Classroom

Verbindet man nun Methodik des zeitgemäßen Grammatikunterrichts mit dem Ansatz der Flipped-Classroom-Methode, so ergeben sich Möglichkeiten, neue Grammatikstrukturen auch außerhalb des fremdsprachlichen Klassenzimmers, z.B. zuhause, (nahezu vollständig) zu erwerben. Besonders entscheidend ist in diesem Zusammenhang die Qualität und Auswahl des verwendeten Materials (Impulsvideo, Lernvideo, Arbeitsblätter, usw.). Dieses sollte auf der einen Seite für Schüler/innen verständlich und zugänglich sowie auf der anderen Seite lernbegleitend, produktiv und progressiv angelegt sein. 

Mithilfe des beiliegenden Arbeitsblattes wird ein mögliches Flipped-Classroom Grammar Scenario für die Einführung des simple past in Klasse 5 oder 6 demonstriert.

1Die Schüler/innen betrachten im ersten Schritt zunächst ein kurzes Lernvideo des British Council („LearnEnglishTeens“) und konzentrieren sich auf die vergangenen Ereignisse von Alfie’s driving test [Wahrnehmungsphase]. Diese werden zunächst chronologisch geordnet, um den Schüler/innen die Abfolge der vergangenen Ereignisse bewusst(er) zu machen.

2Im zweiten Schritt liegt der Fokus bereits auf der ersten Anwendung der neuen Formen (simple past regular verbs). Die Schüler erkennen aus dem Video und der kurzen Geschichte „A great day for Spiderman“, dass die Verbformen die Endung –ed benötigen und bearbeiten dazu einige geschlossene bis offene Aufgabenstellungen (Verstehen und Reagieren).

3Als Kognitivierungsschritt I ist eine kleine Übung zur Formenbildung vorgesehen.

4In step 4 (Kognitivierung II) wird die strukturierte Darstellung der neuen Form mithilfe einer grammar card (vgl. Kieweg 2012) genutzt. Diese füllen die Lernenden eigenständig mit den bisher gewonnen neuen Informationen aus und ergänzen sie zunehmend durch weitere Beispiele.

5Dann folgen mehrere online-gestützte Übungsphasen. Diese sind besonders bei distance learning-Szenarien notwendig, können aber auch durch Übungsphasen im Regelunterricht ersetzt werden.  In der ersten Übungsphaseverwenden die Schüler verschiedene geschlossene und halb-offene Aufgabenformate und wenden die neuen regelmäßigen simple past Formen in unterschiedlichen Kontexten, Beispielen und in Verbindung mit verschiedenen Signalwörtern an. Hierzu stehen Pflichtaufgaben und ergänzende Übungsaufgaben mit Lösungen bereit. Die Aufgaben sind zunehmend komplex-progressiv arrangiert [Sprachgebrauch]. Besonders beim distacne learning ist ein direktes Fehlerfeedback in der Übungsphase des Grammatikerwerbs wichtig und sorgt bei den Lernenden für Sicherheit und Routine.  Die zweite Übungsphase beinhaltet die Auswahl dreier komplexerer Tasks, in denen die neuen Formen zu Anwendung gebracht werden [Automatisierung]. Diese gestalten sich aufgrund der bisherigen regelmäßigen Verbformen eventuell als schwierig. Die Schüler können aber zunächst auf die  bereits bekannten regelmäßigen Verbformen aus den vorherigen Aufgaben zurückgreifen.

Kommunikation mit der Lehrperson

Kleine Sprechblasen auf dem Aufgabenblatt (steps 2, 4, 8) markieren Möglichkeiten, mit der Englischlehrerin oder dem Lehrer in Kontakt zu treten. Im herkömmlichen Flipped Classroom geschieht dies direkt im Klassenzimmer; beim distance learning wird diese Seite des Flipped Classroom per Email, Videotelefonie oder Videokonferenz, über eine Lernplattform oder via anderer digitaler Lernarrangements realisiert. Auf diese Weise findet auch die notwendige Feedback- und Kommunikationsorientierung zwischen Schüler/innen und Lehrer/in statt. Anhand von kurzen Videokonferenzen, eingereichten Kurzfilmen oder MP3-Dateien können die neuen Formen auch in mündlicher Kommunikation und persönlicher Interaktion mit der Lehrperson erprobt werden.

Literatur: Haß, Frank, Hrsg. (2019): Fachdidaktik Englisch. Tradition – Innovation – Praxis. Stuttgart: Ernst Klett Sprachen; Kieweg, Werner (2012): Grammatik visualisieren – Bildimpulse zur Konsolidierung grammatischer Kompetenzen im Englischunterricht. Seelze: Friedrich; Ziegésar D., Ziegésar M. (1992): Einführung von Grammatik im Englischunterricht. Materialien und Modelle. Oldenbourg Schulbuchverlag.

Links zu den Lernvideos und zu online Übungsaufgaben finden sich im Arbeitsblatt.

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